23.12.2025
In den letzten Jahren haben die europäischen Weinerzeuger, insbesondere die kleinen und mittleren Weinbaubetriebe, ihre Besorgnis über die extrem niedrigen Preise geäußert, zu denen große Supermarktketten Wein verkaufen. Diese Situation wird in ganz Europa immer deutlicher, auch im Vereinigten Königreich, wo Weinflaschen oft für weniger als den Preis von Wasser in Flaschen verkauft werden. Das Phänomen ist nicht auf ein Land oder eine Region beschränkt, sondern in großen Einzelhandelsgeschäften von Spanien und Frankreich bis Deutschland und dem Vereinigten Königreich weit verbreitet. Viele in der Branche stellen sich nun die Frage, ob dieses Modell für den Weinsektor als Ganzes nachhaltig ist.
Das Preisparadoxon wird deutlich, wenn man die Supermarktregale mit spezialisierten Weinläden, Restaurants oder dem Direktverkauf in Weingütern vergleicht. In den letztgenannten Vertriebskanälen spiegeln die Preise in der Regel die tatsächlichen Produktionskosten wider: Traubenanbau, Weinbereitung, Reifung, Abfüllung, Vertrieb und eine angemessene Gewinnspanne. In den Supermärkten findet man jedoch häufig Flaschen zu Preisen von 1,5 oder 2 Euro - manchmal sogar darunter. Dies hat zu Protesten von Erzeugern geführt, die argumentieren, dass solche Preise die grundlegenden Produktionskosten nicht decken.
Es gibt mehrere Faktoren, die erklären, wie Supermärkte so niedrige Preise anbieten können. Ein Hauptgrund sind aggressive Werbestrategien. Supermärkte setzen Wein oft als Lockvogel ein - ein Produkt, das zum oder unter dem Selbstkostenpreis verkauft wird, um Kunden in die Läden zu locken. Obwohl der Verkauf unter dem Selbstkostenpreis in einigen Ländern technisch gesehen illegal ist, außer unter bestimmten Umständen, werden diese Praktiken durch zeitlich begrenzte Angebote oder durch Ausnutzung von Gesetzeslücken fortgesetzt. In Spanien zum Beispiel bot eine bekannte Supermarktkette kürzlich eine Flasche Albariño D.O. Rías Baixas für 4,89 Euro an. Landwirtschaftsorganisationen wiesen darauf hin, dass allein die für diese Flasche benötigten Trauben mehr als zwei Euro kosten, so dass nur wenig Spielraum für andere Ausgaben wie Weinherstellung, Abfüllung, Logistik, Steuern und Gewinnspannen des Einzelhandels bleibt.
Ein weiterer Faktor ist die Überproduktion und die Liquidierung von Lagerbeständen. In mehreren europäischen Regionen hat die Weinproduktion in den letzten Jahren die Nachfrage überstiegen. Dieser Überschuss zwingt einige Erzeuger - vor allem Genossenschaften und große industrielle Weinkellereien - dazu, Wein in loser Schüttung zu sehr niedrigen Preisen zu verkaufen, nur um die Lagerbestände abzubauen und Cashflow zu generieren. Diese nicht abgefüllten Weine landen oft als Eigenmarkenweine zu Tiefstpreisen in den Supermarktregalen. In einigen Fällen haben Supermärkte Weine als lokale Produkte vermarktet, obwohl sie aus billigeren importierten Trauben hergestellt wurden.
Die Supermärkte profitieren auch von ihrer enormen Kaufkraft und ihren Größenvorteilen. Große Ketten verhandeln direkt mit Erzeugern oder Importeuren über riesige Weinmengen, oft aus mehreren Ländern. Dank ihrer rationalisierten Logistik und ihres zentralen Einkaufs können sie die Kosten weiter senken, als es kleine Einzelhändler oder unabhängige Weinkellereien je könnten. Im Vereinigten Königreich beispielsweise werden inzwischen mehr als 80 Prozent aller Weinverkäufe im Einzelhandel über Supermärkte abgewickelt - eine Zahl, die sowohl die Verbrauchergewohnheiten als auch die Dominanz der großen Ketten widerspiegelt.
Die Qualität der ultrabilligen Weine ist ein weiterer Teil der Gleichung. Bei vielen Weinen, die zu sehr niedrigen Preisen verkauft werden, handelt es sich um einfache Tafelweine, die mit hohen Hektarerträgen oder minderwertigen Zutaten hergestellt werden. Auch wenn diese Produkte legitimerweise billig hergestellt werden, kann ihre Präsenz neben angesehenen Weinen mit Herkunftsbezeichnung in den Regalen der Supermärkte die Wahrnehmung der Verbraucher darüber verzerren, was Wein kosten sollte.
Die Auswirkungen dieser Preispraktiken auf den Weinsektor insgesamt sind erheblich. Die Erzeuger sind oft gezwungen, niedrigere Preise für ihre Trauben oder nicht abgefüllten Wein zu akzeptieren, wenn sie Zugang zu den Vertriebskanälen der Supermärkte haben wollen. Dieser Druck kann sich besonders nachteilig auf kleine Familienbetriebe auswirken, denen es an Verhandlungsmacht mangelt und die nicht die gleichen Größenvorteile erzielen können wie industrielle Erzeuger.
In der französischen Region Côtes-du-Rhône zum Beispiel haben Winzer protestiert, nachdem sie nur 0,80 Euro pro Liter für Wein erhalten hatten, der später in Supermärkten für 1,69 Euro pro Flasche verkauft wurde - kaum genug, um die Produktionskosten zu decken. Ähnliche Beschwerden wurden in Spanien und Italien laut, wo einige Erzeuger sagen, dass sie "mit Verlust verkaufen", um sich über Wasser zu halten.
Die langfristigen Folgen dieses Modells könnten für die europäische Weinindustrie schwerwiegend sein. Wenn sich die Verbraucher daran gewöhnen, in den Supermärkten nur wenige Euro pro Flasche zu bezahlen, wird es für höherwertige Weine - die arbeitsintensivere Methoden oder geringere Erträge erfordern - schwierig, auf dem Markt nachhaltige Preise zu erzielen. Dies birgt die Gefahr, dass nicht nur einzelne Marken, sondern ganze Regionen, die für ihre Weinbautradition bekannt sind, entwertet werden.
Einige Branchenexperten warnen, dass ein anhaltender Preisdruck zu einem Rückgang der Pflege der Weinberge und der Investitionen in Qualitätsverbesserungen führen könnte. Mit der Zeit könnte dies den Ruf Europas als Quelle vielfältiger und hochwertiger Weine untergraben.
Während die Supermärkte argumentieren, dass ihr Geschäftsmodell den Verbrauchern zugute kommt, weil es den Wein erschwinglicher und zugänglicher macht, sehen viele Erzeuger darin einen Wettlauf nach unten, der die Zukunftsfähigkeit der traditionellen Weinbaugemeinden in ganz Europa bedroht.
Während die Debatten zwischen Einzelhändlern und Erzeugern weitergehen und die Regierungen neue Vorschriften für die Preisgestaltung in Betracht ziehen, bleibt die Zukunft des europäischen Weinsektors ungewiss. Klar ist, dass das derzeitige System diejenigen, die Trauben anbauen und Wein nach altehrwürdigen Traditionen herstellen, vor große Herausforderungen stellt. Die Frage, die sich den politischen Entscheidungsträgern und Branchenführern nun stellt, ist, ob sie ein Gleichgewicht zwischen der Erschwinglichkeit für die Verbraucher und der Nachhaltigkeit für die Erzeuger finden können, bevor einer der kultigsten Landwirtschaftssektoren Europas noch mehr Schaden nimmt.
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